Das Ladenlokal ist frisch herausgeputzt, die Wände haben Claudia Hugi und Vreni Michel weiss gestrichen. Die Gestelle sind einladend eingerichtet und die Ware fein säuberlich präsentiert, man muss schon zweimal hingucken, um zu merken, dass es sich beim Gwunderstibli um ein Secondhandgeschäft handelt.

 

Aussergewöhnlich

«Es ist mir auch schon passiert, dass Jemand im alten Lädeli vorbeikam und sagte: 'Das ist jetzt eine schöne Boutique'», berichtet Leiterin Claudia Hugi, und Vreni Michel fügt an: «Erinnerst du dich, letzten Sommer, da kamen Zürcher Frauen, eine Frau sah eine Tasche, die sie schon lange gesucht hatte. Am nächsten Tag kamen sie nochmals und kauften einiges, sie meinten auch, so etwas hätten sie noch gar nie gesehen.» Das seien sehr schöne Begegnungen, erklären die beiden einstimmig.

 

Erfolgreich seit 50 Jahren

Das Gwunderstibli wurde vor 50 Jahren vom Frauenverein initiiert und wird auch heute noch erfolgreich betrieben. Rund zwanzig Helferinnen engagieren sich ehrenamtlich für den Laden. Ein schönes Herrenhemd, eine Krawatte, das gestrickte Baby-Käppchen, ein warmer Pullover, Schuhen und Taschen: Man findet eine gute Auswahl. Daneben gibt es Geschirr und Schmuck zu kaufen. Mit der Wiedereröffnung wird neu eine Bücherecke mit einem gemütlichen Stuhl zur Verfügung stehen, die Bücher dürfen ausgeliehen und wieder zurückgebracht werden.

 

Im Herzen von Brienz

365 Mitglieder zählt der Frauenverein, dazu gehören auch einige Männer. Der Vorstand verspricht sich mit dem Laden mitten im Dorf, noch mehr auf sich aufmerksam zu machen. «Wir erhoffen uns, mit diesem neuen freundlichen Geschäft, dass wir auch die jüngeren Frauen ansprechen können», sagt Präsidentin Vreni Michel. Claudia Hugi erklärt: «Viele meinen, der Frauenverein sei ein Altweiberverein, aber das ist nicht so», und Vreni Michel ergänzt: «Von diesem Image möchten wir wegkommen. Wir wollen mit der Zeit gehen, aber trotzdem die Tradition bewahren.»

 

Der Frauenverein betreibt nebst dem Gwunderstibli die Spielgruppe, den Mittagstisch für Senioren und hilft im Bistro Altersheim Birgli mit.

 

Jeweils am ersten Mittwoch im Dezember treffen sich die Helferinnen vom Frauenverein um 13.00 Uhr im Steinbocksaal. Da verpacken sie die zahlreichen Züpfen in ein durchsichtiges Säcklein, verschliessen es mit einem Bändel, an dem eine weihnachtliche Karte befestigt ist mit den Worten «Herzliche Adventsgrüsse, Frauenverein Brienz».

 

«Wir haben verschiedene Touren, im Kienholz, an der Hauptstrasse, im Oberdorf …», berichtet Vreni Michel, die Präsidentin des Gemeinnützigen Frauenverein Brienz. «Zum Verteilen der Züpfli gehen immer zwei zusammen auf die Tour. Wer möchte, kann danach zurückkommen, dann wird vom Verein ein Kaffee offeriert.»

 

Alleinstehend ab dem 70. Altersjahr

Die leckere Überraschung ist für die alleinstehenden Brienzerinnen und Brienzer ab dem 70. Altersjahr bestimmt. Eine Aktion, die viel Freude bereitet: «Es gibt viele Leute, die plangen richtig auf dieses Züpfli, und sie freuen sich sehr, wenn sie die Türe aufmachen und es entgegennehmen», erzählt Vreni Michel berührt. «Das Ziel ist, dass wir auch Zeit haben, mit den Leuten zu doorfen», meint die Präsidentin weiter. Dieses Jahr hatte sie so viele Züpfen zu verteilen, dass es dafür nicht mehr reichte, bedauert sie, aber man werde schauen, dass man weitere Helferinnen gewinnen könne für die kommenden Jahre.

 

Wenn jemand nicht zu Hause ist, wird die Züpfe an die Türe gehängt oder im Briefkasten hinterlegt. «Es ist uns nicht recht, wenn wir jemand Alleinstehenden nicht beschenken können, weil wir es nicht wissen, dass diese Person alleine lebt. Darum wären wir sehr froh, wenn man uns das melden täte», betont Vreni Michel.

 

Seit 1975

Um herauszufinden, wann diese Tradition startete, durchforstete Vreni Michel die Ordner des Gemeinnützigen Frauenverein: «Im Protokoll von 1975 steht: 'mit 150 Züpfli wollen wir in diesem Jahr die Alleinstehenden überraschen'», liest Michel vor, aber bereits Jahre zuvor wartete der Verein mit einer Adventsbescherung auf. Im Protokoll von 1974 findet man den Hinweis: «Adventsgruss an die Alten und Alleinstehenden: am 6. Dezember werden wir die angefertigten 'Wäschplätzzantigleusleni' (Sankt Nikolaus Waschlappen) verteilen.» In den älteren Protokollen steht, dass der Verein Gräber mit Arrangements schmückte, Kerzen oder Konfekt verschenkte.

 

Früher habe man immer am Sankt-Nikolaus-Tag beschenkt, weiss Vreni Michel. Aus organisatorischen Gründen änderte man das auf den ersten Mittwoch im Dezember. Dieses Jahr verteilten 20 Helferinnen vom Gemeinnützigen Frauenverein Brienz insgesamt 230 Züpfen. Auf der Rückseite der Backware finden die Beschenkten einen Hinweis auf den Mittagstisch, den der Verein jeweils am Donnerstag im Kirchgemeindehaus Kienholz durchführt. «Diesen Donnerstag gibt es ein Weihnachtsessen, und die Schulkinder singen zwei, drei Lieder», erzählt Vreni Michel voller Vorfreude. Für das feierliche Essen kann man sich bei Christine Flück-Schneebeli anmelden.